Wenn gleich zwei Rettungswagen auf dem Gelände einer Kindertagesstätte Aufstellung beziehen, dann sorgt das für Aufregung. Die allerdings drängt sich – noch – hinter den Fensterscheiben der Kita „Nachtweide“ in Magdeburg. Es sind Kinder, die sich hier die Nasen plattdrücken und kaum abwarten können, was sie da gleich erleben.
Wie fühlt sich ein echter Notruf an? Was passiert im Inneren eines Rettungswagens? Und wie legt man eigentlich einen Verband richtig an? Die Kinder ahnen noch gar nicht, was sie gleich erleben werden. Sie sehen erstmal nur die Autos mit dem Blaulicht. Und das ist für die Kleinen, die zwischen drei und sechs Jahre alt sind, schon ganz schön viel Aufregung auf einmal.
Derweil sammeln sich unten junge Frauen und Männer in der Kleidung unterschiedlicher Rettungsdienste um die Einsatzfahrzeuge. Was sie eint: Alle sind Auszubildende des Malteser Bildungszentrums „Crux Alba“ in Magdeburg. Sie alle stecken im zweiten Lehrjahr zur Notfallsanitäterin oder Notfallsanitäter.
Die Stimme, die übers Gelände schallt, ist die von Robert Kannemann. Der stellvertretende Schulleiter des „Crux Alba“ hat schon vor einigen Jahren das Projekt ins Leben gerufen, das die künftigen Einsatzkräfte auf eine besondere Gruppe vorbereiten soll: die Kinder. „Es könnte passieren, dass sie gegen so ziemlich alles verlieren, was sonst hier auf dem Spielplatz ist. Die Geräte kennen die Kids schon, das ist okay. Aber wenn ein Hase, eine Raupe, ein Schmetterling auf dem Gelände ist, haben sie verloren, gar keine Frage.“ Was ein bisschen flapsig klingt, soll die Spannung nehmen. Denn es ist das erste Mal, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen es in ihrer Ausbildung mit Kindern zu tun bekommen.
„Im echten Einsatz werden wir mal mit Kindern und Kindernotfällen umgehen müssen, da ist die Erfahrung wichtig“, erzählt Florian Ebert am Rande. Der Klassensprecher der Klasse 23/26 in der Ausbildung zum Notfallsanitäter ist einer von 18 Schülerinnen und Schülern, die diesmal in der Kita Nachweide unterwegs sind. „Wir wollen den Kindern heute zeigen, wie so ein Notruf abläuft und was so passiert, wenn der Rettungsdienst kommt.“
Was genau passiert, haben die angehenden Einsatzkräfte selbst erarbeiten müssen. Zwei, drei Vorbereitungstage hatten sie dafür Zeit. Auf dem Plan steht: einen echten – natürlich abgesprochenen Notruf – in der Leitstelle Magdeburg absetzen, die Kinder durch den Rettungswagen flitzen lassen, den Pflasterführerschein am Teddy zu machen, Fieber messen. Klingt erstmal nicht kompliziert. Aber sechs Gruppen mit insgesamt rund 120 Kindern meistern, das ist alles andere als Alltag für die jungen Kolleginnen und Kolleginnen. „Wir schauen mal, wie es klappt. Die Gruppendynamik wird spannend sein“, sagt Florian Ebert, dem es später ziemlich gut gelingt, beim Notruf die volle Aufmerksamkeit der Kinder auf sich zu ziehen.
Derweil geht Robert Kannemann mit den Azubis nochmal die Planung durch. Wann wird welche Gruppe an welcher Station sein. Welches Zweiter-Team steht an welchem Rettungswagen, wo kann Material abgelegt werden, wo können sich die jungen Kollegen nötigenfalls zwischendurch umziehen. Und er vergisst nicht, nochmal mit Nachdruck deutlich zu machen: „Denken Sie dran, wenn sie durch irgendwelche Türen gegen: Wo Sie Hebel aufmachen, sollten Sie diese danach bitte auch wieder zumachen.“ Sicherheit geht vor. Ganz besonders in einem Kindergarten.
Der Vormittag wird tatsächlich spielerisch und praxisnah: Stethoskop in die Ohren und hören, wie Teddys Herzschlag klingt; voll konzentriert und super-vorsichtig, werden Verbände um Arme und Beine von Stofftieren gewickelt; und beinahe kleinlaut sind ganz plötzlich die Kinder, die wenige Minuten vorher noch total aufgedreht durch den Gruppenraum getobt sind – die Stimme am anderen Ende des Notrufs flößt doch Respekt ein. Andere klettern derweil ungestüm auf die Liege im Rettungswagen, aber fast jedes Kind bekommt hinter dem Steuer des Rettungswagens leuchtende Augen, wenn es endlich den Knopf für das Blaulicht drücken darf. Florian Ebert nennt es das „Blaulichtfieber“. Das ist manchmal übrigens nicht heilbar … und soll bei einigen sogar bis ins Erwachsenen-Alter anhalten.